Die Laudatio wurde vom Verleger Jürgen Bock nach Stichworten frei gesprochen. Hier eine nachträgliche schriftliche Form, die im Wesentlichen der Laudatio in freier Rede entspricht.
Der Vorsitzende des Vereins für die Geschichte Küstrins, Martin Rogge, bat mich, die Laudatio bei der heutigen Verleihung des "Johannes-Preises" für Jörg Lüderitz zu halten. Vorsichtshalber schaute ich erst einmal nach: "Laudatio", kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "loben und anerkennen… bei einer ehrenden Rede anlässlich einer Preisverleihung." Da habe ich zugesagt, denn es geht um den Küstriner "Johannes-Preis" für den verdienstvollen und erfolgreichen Autor meines Verlages. Und für meinen Verlag, den Verlag "Bock & Kübler", hat Jörg Lüderitz vier Reisebücher über die Neumark geschrieben und die "Sagen und Bilder der Neumark" von seinem Großvater Paul Biens herausgegeben. Wir hatten uns 1992 in Fürstenwalde kennengelernt. Er half als gelernter Buchhändler in der ehemaligen Volksbuchhandlung aus und wollte bei mir einen Text-Bild-Band mit dem Titel "Wiederentdeckte Neumark" herausgeben. Ich kannte die Neumark damals noch nicht. Also wollte er sie mir zeigen.
Bei unseren Fahrten in die Neumark konnte er sein Schwärmen kaum unterdrücken, denn er war 1935 in Rostin, Kreis Soldin, also in der Neumark geboren und war glücklich, wieder in der Heimat sein zu können.
Am Anfang unserer Fahrten dachte ich noch, sieht er nicht in welchem Zustand manche Häuser so kurz nach der Wende auch in Polen noch waren, sieht er nicht die vielen Zäune, die vor den Häusern auf der Erde liegen. Irgendwie sah er das alles nicht oder wollte es nicht sehen. An einem See kam er selten vorbei. Er musste schwimmen gehen. Natürlich, wenn man mit 10 Jahren zum Kriegsende seinen Geburtsort zwangsweise verlassen musste und ihn jahrelang, oft jahrzehntelang nicht besuchen konnte, wie es ja einigen von Ihnen auch so erging, dann verstärken sich die Heimatgefühle. Dafür hatte und habe ich natürlich Verständnis. Aber es dauerte nicht lange und ich fing auch an, mich für die Neumark zu begeistern.
Dazu trugen auch viele Begegnungen bei. So fuhren wir oft zu Frieda, sie war als Deutsche in Polen geblieben. Mit welcher Freude begrüßte sie jedes Mal Jörg. Oder wir fuhren durch eine Stadt, es war 14 Uhr und Jörg wollte eine polnische Familie besuchen, die er bei einer seiner Radtouren kennengelernt hatte. Mir war das unangenehm, so unangemeldet eine Familie, noch dazu an einem Sonntag, zu überfallen. Aber er ließ sich nicht abhalten und dann welcher Jubel bei der polnischen Familie, als sie Jörg sahen. Sie sprachen kaum deutsch und wir leider kein polnisch, aber wir verstanden uns zwei Stunden lang fantastisch.
Jörg Lüderitz hat für seine langjährigen Verdienste um die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschen und Polen 1999 die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Zu recht - und insgesamt hat er ja elf Bücher über die Neumark geschrieben, in Auflagen zwischen 1.000 und 5.000 Exemplaren, also über 30.000 Bücher und das heißt, dass sich mit dem Kauf der Bücher mehr als 30.000 über die Neumark informierten, sie so kennenlernten und sie vielleicht sogar besuchten.
Jörg Lüderitz hat mit seiner Autobiografie sogar sein Leben vorgestellt. Die Autobiografie erschien zuerst in polnischer Sprache. Dank an Jörgs Freund Prof. Dr. Dr. Leszek Mrozewicz von der Universität Posen, der heute anwesend ist.
Ja, Jörg erlernte, wie schon erwähnt, den Beruf eines Buchhändlers und arbeitete in diesem Beruf mit einer Unterbrechung von 28 Monaten, denn so lange musste er ab 1957 durch eine Gefängnisstrafe in ein Kohlebergwerk. Er hatte Kontakte zu politischen Gruppen in Westberlin aufgenommen und das gefiel den Ostbeamten nicht. Zum Glück konnte er danach weiter als Buchhändler arbeiten, besuchte oft die Neumark und schrieb zahlreiche Artikel über seine Fahrten, die in einigen Zeitungen sogar veröffentlicht wurden.
Und nach der Wende ging es richtig los. Er hielt viele Dia-Vorträge über die Neumark nicht nur in seiner Region, in der Urania in Berlin, sondern auch in Polen, u.a. in Landsberg an der Warthe, also in Gorzow, und in Grünberg, Zielona Gora. Aus erster Ehe ist heute einer seiner Söhne anwesend. Er hat drei Kinder und lebt mit seiner polnischen Partnerin Małgorzata seit 2005 in Lagow und in Frankfurt (Oder).
Ich wurde durch Jörg Lüderitz ein Bewunderer und Freund der Neumark. Als ein Zeichner aus Berlin-Pankow bei mir ein Buch mit "Märkischen Dorfkirchen" herausgeben wollte, schlossen wir eine Vereinbarung. "Das machen wir", sagte ich, "wenn sie für einen Text-Bild-Band "Kirchen der Neumark" mindestens 90 Kirchen mit Kreide zeichnen." Der Pankower war einverstanden und ich wurde erneut, wie bei Jörg Lüderitz, der Kraftfahrer. Wenn man in dem Bildband die Pastelle der Kirchen der Neumark sieht, erkennt man, dass ich es nun war, der einen Zeichner für die Schönheit der Neumark begeistern konnte.
Vor drei Tagen rief mich Martin Rogge noch einmal an und wollte wissen, ob alles klappt mit dem Sonnabend. Im kurzen Gespräch waren wir uns schnell einig, dass es gut ist, dass Jörg Lüderitz den "Johannes-Preis" bekommt, weil er ihn verdient hat.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit