in: Königsberger Kreiskalender 1995
Der Gedenkstein erinnert an die schmachvolle Übergabe der Festung an die Franzosen am 1. November 1806 und an die erfolgte Befreiung Küstrins am 20. März 1814. Obwohl mit Proviant, Soldaten und militärischem Gerät reichlich versehen, übergab Oberst von Ingersleben kampflos die Festung.
Einen Tag vorher, am 31. Oktober 1806, stießen die französischen Truppenverbände und die Husaren der Festung Küstrin bei Manschnow aufeinander. Die Franzosen drängten die Husaren in den Brückenkopf der Torschreiberbrücke. Die angeforderte Verstärkung aus der Festung blieb aus. Somit kam es zum Gefecht zwischen etwa 60 preußischen Soldaten und etwa 250 Franzosen. Der Offizier Leutnant Wilhelm von Falkenhayn fiel, ein kleiner Rest der Soldaten konnte die Festung noch erreichen.
>Die siegreichen Franzosen schickten am 1. November 1806 einen Parlamentär zum Kommandanten, um über die Kapitulation der Festung zu verhandeln. Dann setzte ein französischer Offizier gegen 10 Uhr über die Oder.
Die Verhandlungen dauerten kaum eine halbe Stunde. Der Offizier und von Ingersleben fuhren dann gemeinsam in das französische Lager. Somit war der Verrat geschehen. Gegen 11 Uhr wurden die Franzosen mit Kähnen übergesetzt und sie nahmen die Festung in ihren Besitz.
Die Besatzung der Festung kam in Kriegsgefangenschaft und wurde einige Tage später den nachrückenden französischen Truppen aus Frankfurt a.d.O. übergeben. Aber ein großer Teil der preußischen Soldaten konnte sich irgendwie absetzen.
Die Bevölkerung und die Soldaten waren über diese Kapitulation äußerst empört! Frau von Ingersleben soll ihren Mann noch am selben Tage verlassen haben.
Das Schicksal des Festungskommandanten von Ingersleben ist nicht genau bekannt. Laut Kapitulationsschreiben wollte er als Oberst in die französische Armee eintreten, was Napoleon mit ,,er könne einen Mann nicht brauchen, der seinen Herrn verraten habe'', ablehnte. Es wird berichtet, daß er nach Sachsen gegangen sei und sich in einem Ort bei Wittenberg das Leben nahm.
Als Napoleon bei einem Besuch vom Hohen Kavalier auf die Festung und Stadt sah, soll er den Satz gesprochen haben: ,,Das ist eine furchtbare Festung''.
Die Bürger der Stadt hatten unter der französischen Fremdherrschaft schwer zu leiden. Die Pfarrkirche wurde zum Heu und Strohmagazin, die Garnisonkirche wurde zur Roßmühle. Ein Lazarett wurde im Schloß eingerichtet und es erfolgte die Einquartierung der französischen Besatzung in den Häusern der Stadt.
Napoleon begann 1812 den Krieg gegen Rußland und eroberte auch Moskau. Jedoch steckten die Russen Moskau in Brand und vernichteten somit alles was den Franzosen nützen sollte. Elend und Hunger zwangen nun Napoleon zum Rückmarsch aus Rußland. Auf diesem Zug kamen alsbald die Russen nach Küstrin und sie belagerten zunächst ab dem 7. März 1813 die Festung.
Um freies Schußfeld zu haben, ließ der französische Kommandant die Kurze und die Lange Vorstadt, sowie den Kietz und die Oderbrücke abbrennen. Preußische Truppen lösten dann die Russen im Juli 1813 bei der Belagerung ab. Die Situation der Besatzungstruppen wurde immer aussichtsloser, so daß die Franzosen am 7. März 1814 die Festung übergaben. Am 20.3.1814 zogen preußische Truppen unter General von Hinrichs in die befreite Stadt ein.
Nun zeigte sich das Bild der Verwüstung der Stadt und dem großen Elend der überlebenden Einwohner. Zum Gedenken an den Leutnant Wilhelm von Falkenhayn, der Soldaten und die am 20. März 1814 erfolgte Befreiung der Stadt von der französischen Besatzung, wurde 100 Jahre später, durch den Verein für die Geschichte Küstrins dieser schlichte Gedenkstein an der Odervorflutbrücke errichtet.
Die Anregung zu diesem Vorhaben kam vom damaligen Vereinsvorsitzenden Carl Fredrich. Die Einweihung erfolgte im militärischem Rahmen und unter großer Beteiligung der Bürger und Schulen, Behörden und Vereine.
Bauarbeiter fanden diesen Stein im Oktober 1993 im Flußbett der trockenen Odervorflut. Unter welchen Umständen er dorthin, kam ist nicht mehr genau zu ergründen. Ein älterer Küstriner erinnert sich soweit, daß der Stein nach Kriegsende, zwar beschädigt und umgeworfen, noch an seinem Platz war!
Mit der Zeit wird er dann wohl gestört haben, und er ist die Böschung heruntergestoßen worden. Die Bergung erfolgte und der Stein wurde neben der Odervorflutbrücke wieder aufgestellt. Der obere Teil und ein Teil der linken Seite sind abgebrochen. Das Schriftbild ist jedoch fast vollständig erhalten und auch noch zu entziffern.
Der Gedenkstein kurz nach der Bergung |
Die Inschrift lautet:
An der Torschreiberbrücke hier |
Der Verein für die Geschichte Küstrins und weitere Heimatfreunde sind über diesen wertvollen Fund sehr begeistert und bemühen sich nun um eine Restaurierung des Gedenksteines und der Wiederherstellung des Platzes. Als Vorbild zu diesem Vorhaben dienen 2 alte Fotografien.
Die kleine Elisa Bauch enthüllt den sanierten Gedenkstein bei der feierlichen Wiedererrichtung am 31.10.1995. Die Einweihung erfolgt unter großer Beteiligung der Bürger. Eine Schriftplatte mit dem vollständigen Text und erläuternden Worten ist vor dem Stein angebracht. |
Das Areal im April 2002 |
Quellen:
- Kutschbach:Die Chronik der Stadt Cüstrin, 1849
- Melzheimer:Die Festung und Garnison Küstrin, 1989
- Fitzky: Küstrin, 1967
- Festschrift anläßlich des 25jähr. Bestehens des Vereins für die Geschichte Küstrins 1926
i.A. Martin Rogge
,,Verein für die Geschichte Küstrins e.V.''