Küstrin-Kietz, 5. Mai 2000
Anläßlich der vierten Küstriner Festungstage und des bevorstehenden 100jährigen Gründungstages unseres Vereins, des Verein für die Geschichte Küstrins e.V., richten wir diesen Aufruf an die Bevölkerung unseres Umlandes und an die für uns zuständigen Politiker einschließlich der Landesregierung. Wir erwarten eine rege Stellungnahme zu den von uns angesprochenen Problemen und eine Veränderung der jetzigen Situation.
Fangen wir mit dem Namen an, "Nomen est omen", sagten schon die Alten Römer. "Küstriner Vorland" ist von der Mehrheit der Bürger gewollt und von den Gemeindevertretern beschlossen worden. Unser Verein kann diesem Namen nichts abgewinnen. Kietze sind schon das Vorland, die Vorstädte am Wasser, im Brandenburgischen. Daß ein Dorf, Ortsteile wie Kuhbrückenvorstadt und Küstrin-Altstadt aufweist, ist eine Absurdität. Schauen wir nach Berlin. Haben Spandau und Köpenick etwa ihren Namen, ihre Geschichte oder ihren Charakter verloren? Wäre das bei unserem Zusammenschluß zur Großgemeinde nicht die bessere Lösung gewesen? Stadt Küstrin! Küstrin ist eine geteilte Stadt wie Frankfurt/Oder, Guben oder Görlitz. Historische Karten zeigen, daß der uns verbliebene Teil vor etwa 250 Jahren der am stärksten besiedelte war. Küstrin wurde 1300 das -Magdeburger Stadtrecht- verliehen. Stadtrechte erlöschen nicht, sie können nur entzogen werden, und das ist nicht geschehen. Deshalb sehen sich unsere Mitglieder nach wie vor als Einwohner der Stadt Küstrin.
Der westliche Teil der Altstadt ist heute dem Verfall preisgegeben. Konnte der BGS und der Zoll diese günstig gelegenen Gebäude nicht für seine Zwecke in Anspruch nehmen? Wie Mitglieder unseres Vereins schon in der Märkischen Oderzeitung feststellten, gibt man Millionen für die Bewachung aus und sieht zu, wie alles verrottet. Der Ausbau einer Gaststätte direkt an der Oder, die Schiffsanlegestelle und das Anlegen eines Wanderweges sind Schritte, die uns hoffen lassen, aber bei weitem noch nicht genügen. Es kann nicht dabei bleiben, daß wir vom Wanderweg aus zusehen, wie die Gebäude verfallen und der polnische Teil Küstrins aufblüht. Unser Verein gibt Tausenden von Besuchern auf seinen Führungen durch historisches Gelände Gelegenheit, unsere Heimat und deren Geschichte kennenzulernen.
Auch ein Blick auf die polnische Seite unserer Stadt wird durch Unstimmigkeiten getrübt. Die Zusammenarbeit beider Verwaltungen könnte besser sein. Wenn der polnische Staatspräsident Kwasniewski seine Landsleute daran erinnert, daß Hunderte Städte in Polen nach deutschem Recht gegründet worden sind, so ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Auch der Vandalismus der ersten Nachkriegsjahre hat die deutsche Geschichte dort nicht auslöschen können.
Es gibt nun mal in Kostrzyn keinen Polen, der älter ist als 55 Jahre und von sich behaupten kann, in Küstrin geboren zu sein. Darum sollte man den Rat bedeutender Historiker einholen, wenn die deutsche Geschichte berührt wird. So kann man solchen banalen Unsinn in polnischen Veröffentlichungen, daß Küstrin im Sommer 1944 unter alliierten Luftangriffen gelitten hat, vermeiden. Im Januar 1945 war Küstrin eine heile Stadt. Erst die Kämpfe im Februar und März führten dann zur Zerstörung fast aller Bausubstanz und der totalen Entvölkerung.
Daß die Polen die nun von Trümmern freigelegte Altstadt neu bebauen wollen, halten wir für einen schweren Fehler. Nachdem Stettin, Görlitz, Breslau und andere Städte Westpolens aus Trümmern neu erstanden sind, ist die zerstörte Küstriner Altstadt das einzige Flächenmahnmal, das an den Wahnsinn des Zweiten Weltkrieges erinnert. Eine organisierte und geordnete Begehung würde sicher mehr Touristen ins Land führen als die jetzt begonnene kitschige Bebauung. Die ersten in der Altstadt erbauten Häuser passen so gar nicht in die Küstriner Landschaft und stehen auch nicht auf den alten Fundamenten.
Manfred Stolpe wollten wir zum Ehrenbürger der Stadt ernennen, wenn er uns hilft, eine deutsch-polnische Kita einzurichten. Aus den Augen - aus dem Sinn. Schade, daß dieses Projekt so wenig Interesse und Unterstützung fand.
Aber uns bleibt ja die Hoffnung. Unser Bundespräsident Johannes Rau, Manfred Stolpe, Regine Hildebrandt, die Minister Meyer und Ziel haben sich hier schon umgesehen.
Mit Goethe möchten wir schließen:
"Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die alle hier zusammenkamen. Hier sind sie Mensch, hier können sie´s sein". Folgt ihrem Beispiel! Auf nach Küstrin!
Im Auftrag des Vereins:
Martin Rogge, Uwe Brückl, Rudi Vogt