Am 25. August ist der 250. Jahrestag der Schlacht bei Zorndorf. Zehn Tage zuvor am 15. August 1758 begannen die Russen mit der Bombardierung der Festung Küstrin. Die gesamte Altstadt innerhalb der Festungsmauern wurde in Flammen gesetzt und brannte nieder. Während die Festungswerke kaum Schaden nahmen, überstanden nur drei Gebäude dieses Bombardement. Die Besatzung hielt trotz großer Hitze und beißendem Rauch auf den Festungsanlagen aus. Die Festung hielt dem Feinde stand und trug dadurch zum Sieg von Zorndorf mit bei. Aufgrund dieser großen Brandkatastrophe verbot der preußische Staat einen Wiederaufbau in Fachwerk und ordnete eine massive Bauweise an, jedoch zog sich das einige Jahrzehnte hin. Obwohl König Friedrich II. als Kronprinz seine schwersten Tage in Küstrin erleben mußte und der Siebenjährige Krieg noch viele Ressourcen verschlang, wies er die entsprechenden Gelder an. Fast in jedem Jahr inspizierte er die Aufbauarbeiten und natürlich das Militär. Im Schloß hat er dabei nicht gewohnt, sondern bei Freunden in der Neustadt. Die 1945 total zerstörte Küstriner Altstadt, wiederum durch die Russen, geht auf die nach 1758 errichtete Bausubstanz zurück.
An jenem 15. August 1758 ist auch die Pfarrkirche (Marienkirche) mitsamt Geläut, auf das besonders eingegangen wird, in Schutt und Asche versunken. Die Kirche wurde wieder aufgebaut einschließlich der 1769 von Friedrich Gotthold Körner aus Freystadt (Oberpfalz) gegossenen vier Glocken. In „Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg; Kreis Königsberg/Neumark; Die Stadt Cüstrin“ von 1927 werden diese, fortan als „große, zweite, dritte, kleinste“ Glocke benannt, beschrieben. Die Pfarrkirche fiel mit der gesamten Stadt Küstrin dem Inferno von 1945 zum Opfer. Die um 1941 abgehangene zweite und die kleinste Glocke sollten für die Rüstungsindustrie eingeschmolzen werden. Beide haben mit etwa 16.000 anderen auf dem sogenannten Glockenfriedhof in Hamburg die Zeiten überdauert. Aufgrund der neuen Grenzziehung kamen die Glocken aus dem deutschen Osten nicht in ihre angestammten Kirchen zurück. Sie bildeten jetzt den Ersatz für die noch während des Krieges eingeschmolzenen Glocken im verbliebenen deutschen Teil von Brandenburg. Die beiden Küstriner Glocken wurden nunmehr Ersatz für die abgegebenen Glocken der Maria-Magdalenen-Kirche in Eberswalde.
Das heutige Küstrin-Kietz war vor 1945 keine eigenständige Kirchgemeinde, sondern gehörte zur Pfarrkirchgemeinde der Altstadt. Allerdings war der Sitz der Superintendentur für den Kirchenkreis Küstrin das heutige Pfarrhaus Küstrin-Kietz, vormals Küstrin-Lange Vorstadt. Die beiden Glocken der Küstriner Pfarrkirche künden auch in Eberswalde von der Stadtgeschichte der einstigen neumärkischen Hauptstadt Küstrin.
Folgend die Inschriften aller vier Glocken; bei einer in Deutsch und bei dreien in Latein. Im Anschluß die deutsche Übersetzung mit lateinischen Buchstaben:
Die große mit der Inschrift (ø 1,40 m):
Diese vier Glocken sind nach verlangten Tönen CEGC gegossen... .
Die zweite mit der Inschrift (ø 1,10 m):
„Post fata tristissima que a 1758 die XV. Aug. et me obmutescere jusserunt. Restaurata anno 1769 Signum in honorem die dare coepi.“
Nach sehr traurigen Schicksal wurde mir am 15. August 1758 befohlen, zu verstummen. Ich wurde im Jahre 1769 restauriert, um Zeichen zu geben am Tag für die Ehre.
Die dritte mit der Inschrift (ø 0,93 m):
„Et me necarunt Flammae per totam urbem misere saevientes anno 1758 et Friderici clementiam reviviscere et primum sonitum edere coepi anno 1769.“
Flammen haben mich getötet. Sie wüteten 1758 böse durch die ganze Stadt. Sie erweckten aber auch die Milde (Gnade) Friedrichs. So beginne ich 1769 den meinen ersten Ton.
Die kleinste mit der Inschrift (ø 0,68 m):
„In ruinis anno 1758 die XV. Augusti et ego sum sepulta ex eisdem anno 1769 restituta post novos casus quum et cjssa Lutea adhuc denuo eram collapsa et structor meus vitam fere sub domo a ventu disjecta amiserat. Cives convoco.“
Am 15. August 1758 in Ruinen begraben, wurde ich aus den selben Ruinen 1769 wieder hergestellt. Nach erneuten Schicksalsschlägen, als der Lehm durch den Wind erneut zusammengestürzt war und mein Baumeister unter den Trümmern der Kirche fast das Leben verloren hätte, rufe ich die Bürger zusammen!
Martin Rogge
Kirchgemeinde Küstrin-Kietz