Eine Besonderheit unserer Schule war, dass nach Abschluss des Schuljahres Schüler der oberen Klassen eine Fahrt während der großen Ferien unternahmen. Als Erdkundelehrer fiel die Organisation meist dem Lehrer Vogt zu, der alle Fahrten in Begleitung seiner Frau (eine Frau war vorgeschrieben) unternahm.

Die erste Fahrt führte 1950 nach Binz an die Ostsee. Unsere Paten – die Kasernierte Volkspolizei – stellte Zelte zur Verfügung. Als wir in Binz ankamen, regnete es furchtbar, so dass wir die Zelte nicht aufstellen konnten. Der Lehrer der dortigen Schule stellte uns einen Klassenraum für die Übernachtung zur Verfügung, schimpfte aber ordentlich über die Unverantwortlichkeit der jungen Neulehrer. Seine Frau hat die Schüler dann aber zwei Tage lang liebevoll betreut. Als wir später in Lohme auf Rügen zelteten, bekamen wir zweimal Mittag je Schüler eine gebratene Makrele mit Bratkartoffeln vorgesetzt, eine Wohltat in der damaligen Hungerzeit.

Chronik Schulfahrten 01

Schüler unserer Schule in Saßnitz/Rügen während einer Ferienwanderung (1950)

Chronik Schulfahrten 02

Eine 8. Klasse auf Rügen am Stadtrand von Saßnitz (1950)

Chronik Schulfahrten 03

Eine 8. Klasse in Binz/ Rügen auf dem Turm von Schloss Granitz (1950)

Zwei Fahrten wurden danach in den Harz nach Wernigerode mit der bestellten Übernachtung im dortigen Schulinternat unternommen, eine Fahrt davon begleitete der Kollege Schwendtke als dritte Person.

Chronik Schulfahrten 04

Harzfahrt mit meiner 8. Klasse (1953)

Eine weitere Fahrt führte uns nach Ilsenburg in den Harz. Da der Brocken damals noch nicht gesperrt war, erklommen wir den Berg durch die damals noch dicht bewaldete Steinerne Renne und wurden mit einem herrlichen Fernblick belohnt.

Chronik Schulfahrten 05
Ausflug in den Harz: Vogt mit Ehefrau und Schwendtke

Chronik Schulfahrten 07

Auf dem Brocken: Frau Vogt als Begleiterin

Chronik Schulfahrten 08

Schulausflug nach Wernigerode: Vogt mit Ehefrau und Lehrer Schwendtke vor dem Rathaus

Die Fahrten wurden später vom Schulamt zugeteilt, was eine große Erleichterung war. Als wir in einem Jahr im Winter vom Kietzer Bahnhof losfahren wollten, herrschten hier -20°C. Da ließen einige Eltern die Kinder nicht mitfahren. Als wir in Elbingerode ankamen, schien die Sonne, es war mild, und die Schneelandschaft bezauberte uns. Da rief Herr Vogt Herrn Päseler, den Elternbeiratsvorsitzenden, an und bat ihn, mit dem Rest nachzukommen. Inzwischen war es auch in Kietz wärmer geworden, so dass es auch klappte. Dieser Winterurlaub in Elbingerode wurde ein besonderes Erlebnis, weil wir auch die dortige Schwimmhalle benutzen konnten und die Tropfsteinhöhlen uns bezauberten.

Chronik Schulfahrten 06

Winterfahrt in den Harz bei -20°C ab Küstrin-Kietz: Herr Päseler neben Herrn Vogt (links oben)

Wie wurde das alles finanziert? Jeder Teilnehmer hatte einen Beitrag zu leisten. Das Schulamt in Seelow gab einen Zuschuss. Das meiste Geld wurde aber schon das ganze Schuljahr über von den Schülern angespart. Wir sammelten Altpapier, Flaschen und Schrott. Die Winterfahrt im Februar 1954 verdankten wir der Garnison der Roten Armee. In der Kaserne wurde eine neue Heizung eingebaut. Die alten gusseisernen Heizkörper hatte man einfach irgendwo ins Gelände gefahren und so entsorgt. Gusseisen aber stand in der damaligen DDR hoch im Kurs. Die Heizkörper transportierten die Schüler auf den Hof des Lehrers Vogt, von wo sie der VEB-Schrotthandel abholte. Der Erlös betrug 800 Mark, eine damals unvorstellbare hohe Summe.

Im Jahr 1953 gab es beim Schrottsammeln einen furchtbaren Unfall. Horst Grimberger hatte eine Versorgungsbombe (von Flugzeugen 1945 abgeworfenes Versorgungsmaterial für die eingekesselte Stadt) gefunden. Er benutzte eine Hälfte der Hülle zum Umherpaddeln auf dem Wasser der Vorflut, kippte um und ertrank. Es dauerte lange bis wir dieses Unglück überwunden hatten.

Wir verdienten uns aber auch während der Schulfahrten Geld. Auf dem Markt vor der Burg Hohnstein wurde ein DDR-Film gedreht. Da brauchte man Statisten. Wir mussten eine Bockwurst vor einem Imbissstand essen und mit Eistüten in der Hand über den Markt marschieren. Das wurde in zwei Tagen abgedreht. Wir konnten mit dem erhaltenen Geld eine zusätzliche Tagesfahrt mit einem Elbdampfer nach Dresden unternehmen und die Gemäldegalerie im Zwinger besichtigen

Chronik Schulfahrten 10

Dresden/ Pillnitz (1960)

Chronik Schulfahrten 11
Dresden vor dem Zwinger (1960)

Chronik Schulfahrten 12

Burg Hohnstein, Sächsische Schweiz: Treffen mit polnischem Studenten (1960)

Chronik Schulfahrten 13
Hohnstein: Der polnische Student neben Frau Vogt (1960)


In der Burg Hohnstein waren wir übrigens zweimal. Einmal hatte sich uns dort ein polnischer Student angeschlossen, der uns auf allen Wanderungen begleitete.

Unvergessen bleibt auch die Fahrt zur Festung Königstein. Die Festung besichtigten wir gleich zweimal, waren aber auch wieder im Zwinger in Dresden und im Schloss Pillnitz.

Eine weitere Schulfahrt führte uns an den Müritzsee. Untergebracht waren wir in einer Mühle. Auch auf dieser Fahrt sorgte Frau Vogt für die Verpflegung. Das Essen schmeckte selbst dem Herbergsvater so gut, dass er ständig bei uns mittags zu Gast war. Es gab fast immer Eintopf. Was kann man zum Beispiel alles mit einem halben Schweinekopf kochen? Die Fleischer gaben uns meist solches Fleisch, wie Fleischknochen, Schweineschwänze etc. ohne Fleischmarken ab, wenn wir sie darum baten. Dieser Herbergsbegleiter vermittelte uns auch einen Ernteeinsatz bei der dortigen LPG. Wir sammelten an zwei Vormittagen Frühkartoffeln nach der Rodung auf, bekamen stets ein tolles

Mittagessen vorgesetzt und konnten mit dem verdienten Geld die Schulfahrt um drei weitere Tage verlängern.

Eine weitere Fahrt führte uns in die Oberlausitz. Es war eine Wandertour von Herberge zu Herberge. Da wir nicht knapp bei Kasse waren, ließen wir uns das Gepäck jeweils von einem Bauern fahren, der auch fußkranke Schüler auf seinen Wagen lud. Wir wanderten unter anderem zur Spreequelle und konnten uns in einem der größten Freibäder der DDR in Großschöna erfrischen.

Da der Lehrer Vogt auch Pionierleiter war, begleitete er während zweier Sommerferien eine Pioniergruppe nach Brodowin in der Schorfheide und in einem weiteren Sommer eine Gruppe ins Schwimmlager nach Bad Saarow am Scharmützelsee. Von dort kehrten fast alle Teilnehmer mit dem Freischwimmer-Zeugnis zurück, unter anderem die Zwillinge Zimmer und Evelyn Peter.

Bei allen diesen Fahrten wurde streng darauf geachtet, dass auch Schüler kinderreicher und minderbemittelter Familien teilnehmen konnten. Ihnen wurde meist der Teilnehmerbeitrag erlassen.

Im Lehrplan vorgesehen, waren Wandertage. Während die Unterstufe meist in der näheren Umgebung blieb, war für die Mittelstufe das Lieblingsziel der Berliner Tiergarten. In Berlin wurden auch das Märkische Museum, das Naturkundemuseum mit dem Skelett des Dinosauriers als Attraktion, das Pergamonmuseum und der Plänterwald in Treptow als Ziel angesteuert. Nicht selten steuerten wir auch Buckow in der Märkischen Schweiz an. Damals konnte man noch immer mit Sicht auf den See den Schermützelsee zu Fuß umrunden. Die Wanderung endete natürlich immer im Schwimmbad.