In und um Küstrin versuchte die Rote Armee, mit psychologischen Mitteln Wirkung zu erzielen und dadurch Blut zu sparen. Flugblätter wurden aus Flugzeugen abgeworfen oder mit Granatwerfern in die Stadt geschossen und die deutschen Stellungen mit Lautsprechereinsätzen bearbeitet. Besonders letzteres erfolgte oft, sehr intensiv und nicht selten bis ins Detail gehend. Darüber schrieb Hermann Körner, der Bürgermeister von Küstrin und Kreisleiter der NSDAP: Der Russe ,,spielte deutsche Märsche, verlas Proklamationen der deutschen Generäle in russischer Gefangenschaft und forderte immer wieder den deutschen Soldaten auf, den Kampf einzustellen. Diese Lautsprecherpropaganda betrieb der Russe überhaupt an allen Küstriner Fronten jeden Tag. Die Sprecher gingen auffallend auf örtliche Verhältnisse ein, was auf die Soldaten besonders wirkungsvoll war. Sie nannten den Festungskommandanten und andere Offiziere sowie auch Hoheitsträger aus Küstrin mit Namen, sagten z. B. auch einmal durch, daß ich wieder einmal ausgerückt sei oder daß sie sich in meiner Wohnung in der Neustadt sehr behaglich fühlten." Außerdem wurden 62 deutsche Kriegsgefangene während des ersten Großangriffs in die Stadt zurückgeschickt, um ihre Kameraden zur Einstellung des Widerstandes zu veranlassen. Innerhalb von drei Tagen meldeten sie sich mit 216 weiteren Soldaten wieder bei den Russen. Hier handelte es sich um Soldaten, die bei der Erstürmung der Neustadt in ausweglose Situationen gerieten. Trotz dieser Fakten blieb der quantitative Erfolg der Unterabteilungen Spezialpropaganda der beiden Belagerungsarmeen in Küstrin gering. Die von dem Politoffizier Burzew genannten hohen Gefangenenzahlen beruhten in den wenigsten Fällen auf der Wirkung der sowjetischen Propaganda. Sie waren das Ergebnis militärischen Niederringens durch einen stärkeren Gegner, der die deutschen Truppen in eine hoffnungslose Lage gebracht hatte, sei es durch Aufsplitterung oder Vereitelung von Ausbruchsversuchen. Beim späteren Fall der Altstadt schuf die deutsche Führung diese Situation selbst, weil sie durch vorzeitige Brückensprengung viele Soldaten von der Räumung ausschloß und ihrem Schicksal überließ. Burzew verschweigt auch den großen Anteil Verwundeter an den in Küstrin gemachten Gefangenen. Allerdings senkte die Propanganda der Roten Armee bei nicht wenigen deutschen Offizieren und Soldaten die Hemmschwelle, in letzter Minute sich doch noch in die gefürchtete ,,russische Gefangenschaft" zu begeben. [55]
An den angeführten Aktionen waren deutsche "Antifaschisten" beteiligt, so unter anderen als Angehörige der Roten Armee Marianne Weinert bei der 5. Stoß-Armee, Stefan Doernberg bei der 8. Garde-Armee sowie mehrere Mitglieder des "Nationalkomitees Freies Deutschland". [56]
1758 - als die Russen Küstrin belagerten - ließ die preußische Führung die Festungsbesatzung täglich ablösen. Fast 200 Jahre später - 1945 - blieb die Garnison 59 Tage im Einsatz und hatte dabei mehr als 14 Großkampftage zu verzeichnen. Die Truppe sah sich, weit vor der HKL, fast in der Einschließung kämpfend, unter Feindeinsicht von allen Seiten, einem an Menschen mehr als dreifach stärkeren Gegner gegenüber mit einer erdrückenden Überlegenheit an Artillerie und Fliegern. Das forderte nicht nur die Anspannung aller körperlichen Kräfte, es steigerte auch die psychische Belastung auf das Äußerste. Dazu kam die Erkenntnis, etwas zu erleben, was man vorher nicht für möglich gehalten hatte: Den Einbruch feindlicher Heere in das Reichsgebiet. Viele Soldaten lebten in Ungewißheit über das Schicksal ihrer Angehörigen. Und sie wurden Zeugen einer täglich größer werdenden Zerstörung ihres Umfeldes.
Zu den regulären Verteidigern zählten - im Gegensatz zu den Belagerern, die zum Beispiel komplette Fraueneinheiten der Flak an den Oderdämmen eingesetzt hatten - nur wenige Frauen. Durch ihre Haltung wurden sie vielen Männern zum Vorbild. Über drei von ihnen berichtete die Oder-Zeitung. Am 8.3. bargen und retteten in der Altstadt zwei DRK-Helferinnen im feindlichen Bombenhagel eine verschüttete Wache der Oderbrücke. Ende Februar schlossen in der Altstadt eine Stabshelferin der Kommandantur und ein Unteroffizier den Bund der Ehe. Sie taten es zu einer Zeit, als sich ihre Heimat ostwärts der Oder bereits in der Hand der Roten Armee befand. Der Autor dieses Buches erinnert sich noch heute mit Dankbarkeit und Hochachtung an die Rote-Kreuz-Schwester im Lazarett im Keller der Knaben-Mittelschule der Altstadt, deren Haltung er in den letzten Tagen und Stunden vor dem Fall der Festung bewunderte. [57]
Von den Männern traf es die aus Küstrin am schwersten - sofern man von den wenigen in der Stadt verbliebenen Frauen und dem Schicksal, das ihnen drohte, wenn sie den Russen in die Hände fielen, absah. Sie erlebten die Zerstörung der eigenen Wohnung durch den Feind, eigene vorbeugende Sprengungen oder deutschen Beschuß. Sie sahen ihre Heimatstadt in Schutt und Asche sinken. Das verursachte für viele kaum vorstellbare seelische Belastungen. In Verbindung mit der hohen physischen Verausgabung führte das, wie NSDAP-Kreisleiter Hermann Körner berichtete, bei nicht wenigen Männern des Volkssturms zum Tod durch Herzversagen, was auch bei Soldaten vorkam. Zunehmend gerieten Offiziere in innere Widersprüche, wenn sie ihren Soldaten Befehle erteilen mußten, die zum Tode führen konnten, die Männer das wußten und um Befehlsverschonung baten. [58]
Neben den Vorbereitungen auf den zweiten Großangriff bestimmten kleinere Handlungen die Tage zwischen dem 13. und 21. März:
- Wiederkehrendes Störungsfeuer der Artillerie auf die Räume Gorgast, Golzow und Alt Tucheband, unterbrochen von heftigen Feuerüberfällen auf die Dörfer.
- Scharmützel im Vorfeld der Eisenbahnbrücke über den Vorflutkanal in Kietz.
- Kämpfe um die Dammeisterei.
- Scharmützel am Bienenhof.
- Scharmützel um die Dampfmühle in Kietz mit viermaligem Besitzerwechsel.
- Stoßtruppunternehmen gegen lästige feindbesetzte Punkte.
- Durch "Stukas zu Fuß" Ausschaltung der Zellstoffabrik als lästigen Feuer- und Beobachtungspunkt.
Nachdem der erste Großangriff auf die Oderfestung trotz großer taktischer Erfolge sein operatives Ziel verfehlt hatte, befahl das Oberkommando der 1. Belorussischen Front am 13.3.:,,Die 5. Stoß-Armee hat mit zwei verstärkten Schützen-Divisionen am Morgen des 20.3.1945 anzugreifen, die Verteidigung des Gegners im Abschnitt Genschmar - ausschließlich Alt Bleyen - zu durchbrechen, den Hauptstoß auf Golzow und einen Nebenstoß aus dem Raum Alt Bleyen auf Gorgast zu führen, den Raum Genschmar - ausschließlich Golzow und Kuhbrücken-Vorstadt - zu nehmen und danach im Abschnitt der Höhen 16,3 und 10,3 - ausschließlich Golzow - zur Verteidigung überzugehen."Für die 8. Garde-Armee sah der Angriffsbefehl vor, aus dem Reitweiner Brückenkopf, ebenfalls mit zwei verstärkten Schützen-Divisionen in Richtung Gorgast - Golzow anzugreifen und einen Nebenstoß nach Nordosten in Richtung Kuhbrücken-Vorstadt zu führen. [59]
Ziel des zweiten Großangriffes war, mit stärkeren Kräften als beim ersten die deutsche Hauptkampflinie zwischen dem Garmischberg und Hathenow nach Westen zu drücken, die Schlauchstellung an der Wurzel von der HKL zu trennen und zu zerschlagen, dadurch die Küstriner Altstadt einzuschließen und danach zu stürmen. Die 5. Stoß-Armee sah dafür das 32. Schützen-Korps vor. Dessen 60. Schützen-Division sollte Genschmar nehmen und in den Raum Zechin vordringen. Die 295. Schützen-Division hatte zwischen Genschmarer See und der Alten Oder bei Gorgast die Stützpunkte Wilhelminenhof und Tannenhof auszuschalten und den Richtgraben zwischen dem Amt Friedrichsaue und Golzow zu erreichen. Die 416. Schützen-Division beließ zwei Regimenter ostwärts der Oder am nördlichen Wartheufer gegenüber der Altstadt und setzte das 1373. Schützen-Regiment für den Angriff auf Alt und Neu Bleyen ein. Von der 8. Garde-Armee sollte das 4. Garde-Schützen-Korps am Großangriff teilnehmen. Von der 35. Garde-Schützen-Division verblieb ein Regiment zwischen Warthe und Oder vor der Altstadt. Die beiden anderen Regimenter sollten aus dem Raum Kietz in Richtung Gut Alt Bleyen - Kuhbrücken-Vorstadt - Eisenbahnbrücke über den Vorflutkanal angreifen. Die Hauptangriffsrichtung der 47. Garde-Schützen-Division zielte über Gorgast auf Golzow und die der 57. Garde-Schützen-Division auf die Linie Bahnhof Golzow - Alt Tucheband. Teile einer weiteren Division sollten von Hathenow auf Sachsendorf vorstoßen. Für die Erstürmung der Altstadt stand die 82. Garde-Schützen-Division bereit. [60]
Einschließlich starker Panzer- und Fliegerkräfte, Auffüllungen und Verstärkungen verfügte die Rote Armee am 22.3. zwischen dem Garmischberg und Hathenow schätzungsweise über 46.000 bis 54.000 Personen mit ungefähr 2.000 Geschützen und Granatwerfern aller Kaliber. Dem standen auf deutscher Seite etwa 15.000 bis 20.000 Mann mit 500 bis 600 Rohren gegenüber.
Unabhängig von anhaltender Gefechtstätigkeit vor der Eisenbahnbrücke in Kietz und an der Nahtstelle bei Gorgast führten Bomben- und Schlachtflugzeuge mehrere Tage systematische Angriffe auf einzelne deutsche Abschnitte. Am 21.3. flogen am frühen Nachmittag über 200 zweimotorige Bomber in geschlossener Formation einen durch keinerlei Abwehr behinderten Angriff auf die Nahtstelle bei Gorgast und ihr weiteres Umfeld, wo sie zwei Bombenteppiche warfen. Die Erde bebte. Danach trat Stille ein. Die Ruhe vor dem Sturm. [61]
Zuvor hatte es in der Schlauchstellung einen Wechsel gegeben. Die 25. Panzer-Grenadier-Division war abgelöst worden. Bis zum 18.3. 06.00 Uhr hatte die 303. Infanterie-Division "Döberitz" den Abschnitt der Räume Sachsendorf und Alt Tucheband und bis zum 20.3. 06.00 Uhr die Panzer-Division "Müncheberg" - verstärkt durch ein Bataillon der Leibstandarte "Adolf Hitler" - und das Füsilier-Bataillon 303 der Division "Döberitz" die Schlauchstellung übernommen. [62]
In der Nacht vom 21. zum 22.3. verstärkten sich im Raum Gorgast und Golzow das sowjetische Störungsfeuer und die heftigen Feuerüberfälle. Als es am 22.3.1945 hell geworden war, begann der zweite Großangriff auf Küstrin mit einer starken Artillerievorbereitung auf die deutsche HKL. Die folgenden massierten Sturmangriffe von 7 Regimentern des 32. Schützen-Korps und 3 Regimentern der 47. Garde-Schützen-Division überrannten in den meisten Fällen die vorderste deutsche Linie zwischen Genschmar und Manschnow. Zum Teil heftige Kämpfe entwickelten sich jedoch an der Nahtstelle zur 309. Infanterie-Division "Berlin", die ohne wesentlichen Bodenverlust halten konnte, um Genschmar und die nördlich des Stromes - auch "Alte Oder" genannt - gelegenen Stützpunkte Wilhelminenhof und Tannenhof, die nach mehrstündigen Gefechten fielen. Gorgast wurde später von Westen her genommen. (Das Fort Gorgast spielte in den Kämpfen so gut wie keine Rolle. Anzunehmen ist, daß die Kompanien des I. Bataillons des Panzer-Grenadier-Regiments "Müncheberg" 1 vor oder zu Beginn des Trommelfeuers am Morgen ohne Wissen des Bataillonsstabes ihre Stellungen aufgaben, sich in das Fort zurückzogen, dort zwei Angriffe abwehrten und nach Brandlegung im Eingangsbereich mittels vorgerollter Ölfässer kapituliert hatten.) Nachdem die in der Schäferei liegenden Teile des II. Bataillons des Panzer-Grenadier-Regiments "Müncheberg" 2 diese aufgegeben hatten, konnten sich am späten Nachmittag die Spitzen der sowjetischen 5. Stoß- und der 8. Garde-Armee nördlich Gorgast an der Förster-Brücke vereinigen. Der russische Hauptstoß lag beiderseits der Reichsstraße 1 und stieß gut 3 Kilometer nach Westen vor, überschritt die Oderbruchbahn - die hier von Süd nach Nord verlief - wurde aber durch den gegen 17 Uhr beginnenden Gegenangriff der sofort zurückbeorderten 25. Panzer-Grenadier-Division wieder über die Bahn, den Bahnhof Golzow und die Kriegerheimsiedlung zurückgeworfen. Längs der Reichsstraße 1 und der Chaussee von Gorgast nach Golzow griffen sowjetische Panzer in größerer Anzahl an, deren rechter Flügel sich an der Brücke über den Strom nördlich Golzow mit Panzern der 5. Stoß-Armee treffen sollte. Es gelang den Verteidigern, die russische Panzermassierung zwischen Gorgast und Golzow zu stoppen und schwer anzuschlagen. Maßgeblichen Anteil am Abwehrerfolg hatte die II. Abteilung des Panzer-Regiments "Müncheberg" unter Hauptmann Horst Zobel mit dessen geschickter Aufstellung der Panzer - 1. Kompanie bei Gorgast, 2. Kompanie südlich Golzow, die 3. Kompanie östlich Golzow gegen die Brücke über den Strom und gegen Gorgast - und der Standhaftigkeit seiner Truppe. Der südliche Angriffsflügel der Russen lief sich in beiderseitig verlustreichen Kämpfen vor Alt
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Tucheband und dem Lehngut Hathenow an der 303. Infanterie-Division "Döberitz" fest. Starker Artillerie-, Panzer-, sowie rollender Fliegereinsatz (mit geschätzten 1.000 Anflügen) unterstützte die sowjetische Infanterie am Boden und in der Luft. Auch deutsche Schlachtflugzeuge und fliegende Panzerzerstörer bemühten sich um Entlastung der schwer ringenden eigenen Truppen. Die Bilanz des ersten Angriffstages lautete: Trotz Verlusten von 96 Panzern und Sturmgeschützen sowie 24 Flugzeugen hatte die Rote Armee durch zwei massierte Stöße die Schlauchstellung an ihrer Wurzel zerschlagen, den Festungsbereich von allen Verbindungen abgeschnitten und Küstrin erneut eingeschlossen. [63]
In der Nacht vom 22. zum 23.3. wurde das deutsche II. Bataillon des Grenadier-Regiments 764 der 712. Infanterie-Division zur Verstärkung des angeschlagenen Grenadier-Regiments 301 aus dem Raum Lebus in den Raum Alt Tucheband verlegt. Am äußeren Einschließungsring konnten am 23.3. nur die sowjetische 295. Schützen- und die 47. Garde-Schützen-Division ihre Stellungen um 1.000 bzw. 500 Meter Richtung Westen verbessern. Die Angriffe der anderen Divisionen blieben erfolglos. Zu den härtesten Kämpfen kam es beiderseits der Berlin-Küstriner Eisenbahnlinie und der Reichsstraße 1. Hier griffen die Russen mit nachts herangeführten Infanterie- und Panzerreserven unter ständiger Schlachtfliegerunterstützung, mitunter im Schutz künstlichen Nebels, bis zu 14 mal am Tage an! Sämtliche Angriffe scheiterten mit hohen Verlusten. Örtliche Einbrüche wurden im sofortigen Gegenstoß beseitigt. Nachdem die Angreifer noch einmal 71 Panzer eingebüßt hatten, gingen sie zur Verteidigung über. [64]
Am Nachmittag des 23. März vollendeten die sowjetischen Truppen den inneren Einschließungsring. Alt Bleyen (Ortslage) hatten sie am Vortag genommen. Doch südlich davon, nördlich Neu Bleyen, wo Teile des I. und II. Bataillons des Panzer-Grenadier-Regiments "Müncheberg" 2 verteidigten, und am Gut Alt Bleyen wurden sie aufgehalten. Das Gut war zum starken Stützpunkt ausgebaut worden. Es sollte Schweigestellung bleiben, bis es selbst angegriffen würde. Sein Umfeld verteidigten von der Division "Döberitz" das Füsilier-Bataillon 303 (das taktisch führte), die 4. (schw.) Kompanie des I. Bataillons des Panzer-Grenadier-Regiments "Müncheberg" 2, der Sturmgeschützzug der 2. Kompanie der II. Abteilung des Panzer-Regiments "Müncheberg", 2 fest eingebaute 8,8-cm-Pak sowie zum Erdkampf eingebaute 2 - eine davon in der Dammstraße - 8,8-cm-Flak der Festungsbesatzung Küstrin. Außerdem befanden sich hier ein VB zur Feuerlenkung der deutschen schweren Artillerie - die hinter der HKL im Raum Seelow stand - und im Keller eines Wirtschaftsgebäudes ein Verbandsplatz. Hier entbrannten mehrtägige, heftige Kämpfe, bei denen die Russen vor allem starke Schlachtflieger- und im Oval der beiden Oderdämme auch Panzerunterstützung erhielten. Die Auseinandersetzungen endeten mitunter in Nahkämpfen und dem Verschleiß einzelner Einheiten. Ausgangs des 26.3. gelang den Angreifern nach Verlust von 9 Panzern der Durchbruch nach Neu Bleyen und dessen Eroberung. Die deutschen personellen Ausfälle dieses Tages waren beträchtlich. Daraufhin, und wegen des inzwischen eingetretenen Munitionsmangels, mußten die zusammengeschmolzenen und fast eingeschlossenen Verteidiger in der Nacht zum 27. März unter Zurücklassung schwerer Waffen und nicht gehfähiger Verwundeter auch das Gut Alt Bleyen aufgeben. [65]
Zweimal versuchten HGW und AOK 9, die eingeschlossene Festung zu entsetzen. Beim ersten Mal, in der Nacht vom 23. zum 24.3., sollten Teile der 20. - südlich der Reichsstraße 1 - und der 25. Panzer-Grenadier-Division - nördlich der Reichsstraße 1 - den Raum Manschnow-Gorgast im Bogen der Alten Oder freikämpfen. Der Angriff wurde ein Mißerfolg. Der gepanzerten Kampfgruppe der 25. Panzer-Grenadier-Division gelang der Einbruch in Gorgast, und damit die Annäherung an den Küstriner Kessel bis auf 3
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Kilometer, doch wurde sie hier zum Stehen gebracht und bis zum Morgen wieder auf ihre Ausgangsstellungen zurückgeworfen. Von der 20. Panzer-Grenadier-Division erreichte nur ein Bataillon vorübergehend die westlichen Ausbauten von Manschnow, andere blieben weiter zurück. Fühlbare Ausfälle und Motivationsverluste waren das Ergebnis einer ungenügenden Vorbereitung des deutschen Angriffs und schlechter Abstimmung der Waffengattungen untereinander. Der zweite Entsatzangriff erfolgte am 27.3. zwischen der Reichsstraße 1 und Genschmar mit vier geschwächten Divisionen und einer Kampfgruppe. (25. Panzer-Grenadier-Division, 20. Panzer-Grenadier-Division, Führer-Grenadier-Division, Panzer-Division "Müncheberg" und Kampfgruppe "1001 Nacht".) Auch er lief sich nach geringem Geländegewinn in der sowjetischen Abwehr fest. In seiner TM vom 27.3. meldete das AOK 9: ,,Eine Wiederholung des Angriffes verspricht keinen Erfolg." An Verlusten nannte es ,,nach bisherigen Unterlagen" 5 Kommandeure, 68 weitere Offiziere, 1.215 Unteroffiziere und Mannschaften. Allein bei ihrem Angriff auf Genschmar verlor die Kampfgruppe "1001 Nacht" von 390 Mann 219, von 49 Sturmgeschützen 25, schoß aber selbst 19 Panzer und Sturmgeschütze sowie 1 Schützenpanzerwagen des Gegners ab. Erneut wies die deutsche Vorbereitung Mängel auf, wie ungenügende Aufklärung des Gefechtsfeldes, Nichtbeachtung der speziellen Charakteristik des Oderbruchs und zu geringen Zeitansatz. [66]
Dieser Fehlschlag führte am 28.3. bei der Lagebesprechung im Berliner Führerbunker - an der auch Generaloberst Heinrici, seit 22.3. neuer OB der Heeresgruppe Weichsel, und General Busse, OB der 9. Armee, teilnahmen - zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Adolf Hitler und Generaloberst Guderian, wobei der Generalsstabschef des Heeres zu einer längeren Kur entlassen wurde.
Bereits in der Nacht vom 26. zum 27. März hatte ein als Überläufer getarnter sowjetischer Parlamentär der 8. Garde-Armee ein Ultimatum mit dem unten abgebildeten Inhalt überbracht: [67]
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Parallel dazu warfen für die Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der Küstriner Garnison Flugzeuge Flugblätter ab oder schossen sie mit speziellen Granatwerfergranaten in die Festung. [68]
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