Ein Reisebericht von Siegfried Neubauer
Unser diesjähriger Vereinsausflug, wie immer eine populärwissenschaftliche Exkursion, führte uns diesmal zur Zitadelle nach Spandau und zum Fort Hahneberg. Zur Spandauer Zitadelle gibt es mehrfache Parallelen zu unserer Heimatfestung Küstrin. Wie die Festung Küstrin fast wie auf einer Insel am Zusammenfluß von Warthe und Oder angelegt ist, so ist schon zu slawischer Zeit am Zusammenfluß von Havel und Spree hier eine befestigte Anlage entstanden, die dann im Laufe der Jahrhunderte zu einem eindrucksvollen Burggelände ausgebaut wurde. Der erste Entwurf für die gesamte Zitadellenanlage stammt von dem aus Venezien stammenden Festungsbauingenieur Francesco Chiaramella, der auch von Markgraf Hans mit dem Festungsbau der Residenzstadt Küstrin beauftragt worden war.
Unter der Führung von Armin Brenker, dessen schaupielerisches Talent den trockenen geschichtlichen Stoff durch kleine Episödchen und manch ironische Anspielungen auf die Gegenwart aufzulockern verstand, kam manchem dieser Rundgang durch das alte Gemäuer wie ein leicht kabarettistscher Ausflug in geschichtsträchtige Zeiten vor. Ihm fehlte eigentlich nur noch eine Narrenkappe, denn so verschmitzt, wie er uns die Geschichte des Landes Brandenburg an einigen anschaulichen Objekten vorstellte, hätte er in früheren Zeiten bestimmt auch einen respektablen Hofnarren abgegeben mit seinen hintergründig gespickten Anspielungen auf unsere verunsicherte Gegenwart.
Aber nicht nur streifte er mit uns durch die mittelalterliche Burg, um uns die Baustile aus mehreren Jahrhunderten zu erläutern, sondern er führte uns auch zu seinem Wagen, einer kleinen “Waffenkammer”, um uns in einem Privatissimum einige seiner Waffentrophäen zu demonstrieren. So führte er uns in die Geheimnisse altertümlicher Angriffs- und Verteidigungswaffen ein, wobei er ein besonderes Faible für die Schießeisentechnik zu haben scheint, denn er zeigte uns in allen Einzelheiten, wie umständlich früher Feuerwaffen mittels Pulverhörnern geladen wurden, ehe sich endlich ein Schuß löste. Ganz Mutige durften sich sogar mit ihm “duellieren”, um uns auch mit der Funktionsweise eines Degenbrechers vertraut zu machen.
Wer noch gut zu Fuß und schwindelfrei war, stieg auch die Wendeltreppe im Juliusturm, die sich im Innern des Turmes dicht an die Außenwand schmiegt, auf die obere Plattform. Aus dieser Höhe dreißig Meter über Grund hat man eine wunderbare Rundumsicht auf den Berliner Ortsteil Spandau. Der Juliusturm, das Wahrzeichen Spandaus, wurde bereits zu Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet, also zu einer Zeit, als Küstrin noch in den Windeln lag. Berühmt wurde der Juliusturm nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, da dort der Reichskriegsschatz deponiert worden war. Der Begriff “Juliusturm” hat auch Eingang in die westdeutsche Nachkriegsgeschichte gefunden, als in den fünfziger Jahren angesammelte Kassenüberschüsse des Bundes so benannt wurden, die man für den Aufbau der Bundeswehr zurückgestellt hatte.
Nachdem Armin Brenker uns mit einer Fülle von Informationen gefüttert hatte, war es an der Zeit, auch die leeren Mägen, die sich bei dem einen oder anderen schon gemeldet hatten, mit Futteralien zu versorgen. Also machten sich alle auf zum Bus, um zum “Brauhaus in Spandau” zu fahren. In einem großen Saal steht in der Mitte protzig ein riesiger Kupferkessel, in dem das “Spandauer Havelbräu”, die Hausmarke des Brauhauses, unter der fachkundigen Leitung des Braumeisters gebraut wird. Rings um diesen gewaltigen Kupferkessel sind Stühle und Tische plaziert, wo das frisch gebraute Bier gleich verkostet werden kann. Da das Brauhaus auf solch einen Ansturm von hungrigen Zitadellenbesuchern wohl nicht vorbereitet war, hatte sich vor der Essenausgabe eine lange Schlange gebildet. Aber es war endlich einmal ein Gasthaus, wo man nicht mit einem “Einheitsbrei” abgefüttert werden mußte, sondern jeder nach eigenem Geschmack sich sein Mittagessen selbst zusammenstellen konnte. Ich würde mir wünschen, daß diese Praxis der individuellen Essenwahl auch bei zukünftigen Vereinsfahrten praktiziert würde. Natürlich wird es nicht immer leicht sein, solche Häuser in der Nähe zu finden, die solch ein vielfältiges Angebot für einen Haufen hungriger Münder bereithalten können. Hier im Brauhaus konnte jedenfalls jeder seinen Bauch mit dem füllen, was ihm am besten mundete.
Nachdem die ganze Mannschaft gesättigt war, wurde wieder der Bus bestiegen, um zum nächsten “Point of Interest” chauffiert zu werden. Einige Kilometer außerhalb von Spandau, ganz in der Nähe der früheren Grenzübergangsstelle Staaken, wo die Westberliner zu DDR-Zeiten über eine Transitstrecke nach Hamburg fahren konnten, liegt auf einem Hügel das Fort Hahneberg. Dieses Fort Hahneberg feiert gerade in diesem Jahr 2008 ein rundes Jubiläum, ist es doch vor 120 Jahren im Jahre 1888 nach einer Bauzeit von mehreren Jahren in Dienst gestellt worden.
Wer das Fort Zorndorf bei Küstrin bereits besichtigt hat, sollte sich dieses Fort Hahneberg nicht entgehen lassen, weil dieses auch nach dem Kriege nicht in Vergessenheit geriet, sondern in all den Jahren ständig genutzt wurde. Die Bausubstanz ist hier also noch gut erhalten und wird von dem Verein der “Arbeits- und Schutzgemeinschaft Fort Hahneberg” sorgfältig gepflegt. Um unser Zorndorfer Fort kümmert sich kein Mensch.
Übrigens waren ursprünglich sieben Forts rund um Spandau geplant, wie der Heimatforscher Albert Ludewig überliefert hat. Von diesen sieben Forts ist aber nur eines gebaut worden, eben das Fort Hahneberg, weil inzwischen die Waffentechnik soweit fortgeschritten war, daß selbst nach Fertigstellung dieses Fort schon wieder überholt war und eigentlich zum “alten Eisen” gehörte. Hier spannt sich auch wieder ein Bogen zu Küstrin über den oben erwähnten Heimatforscher Albert Ludewig, denn dieser hatte 1937 Küstrin bereist und unsere Heimatstadt in einmaligen Aufnahmen vom Glacis auf dem Gorin bis zur Eisdiele Schwerdtner am Kietzerbusch-Bahnhof festgehalten, die Herbert Schenke im Spandauer Archiv vor einigen Jahren entdeckt hatte.
Unter der fachkundigen Führung von Sebastian Voigt wurden wir durch die imposante Anlage des Forts geführt und konnten auf Schritt und Tritt bauliche Ähnlichkeiten zum Zorndorfer Fort entdecken. Als ein echtes Zuckerl für uns Küstriner Heimatforscher wurde uns die Klapp-Hebel-Brücke in ihrer Funktion vorgeführt, die dank der Arbeits- und Schutzgemeinschaft Fort Hahneberg eine Rekonstruktion der ursprünglichen Hebel-Brücke ist.
Alles in allem war unser Ausflug nach Spandau mit seiner Zitadelle und dem Fort auf dem Hahneberg wieder eine lehrreiche Exkursion für uns Küstriner Hobbyforscher, was wir nicht zuletzt der vorbildlichen organisatorischen Vorarbeit unseres Vorsitzendes Martin Rogge zu verdanken haben.